Alles in und um Key West herum wird mit einem Wort versehen - paradiesisch. So gibt es "Ice Cream from Paradise", "Coffee from Paradise" und überhaupt isst und trinkt man an jeder Ecke
paradiesisch. Alle möglichen Freizeitaktivitäten werden so umworben und paradiesische Ausblicke gibt es angeblich an jeder Strassenecke. Aber warum eigentlich? Genau das wollten wir auf unserer
heutigen Tour herausfinden.
Kaum dass wir mit unserem Bollerwagen aus dem Parkhaus gerollt waren, erntete er wieder einmal bewundernde Blicke. "Good Thing", "nice vehicle" oder gar "fantastic" ist da immer wieder zu
hören. Eigentlich ungewöhnlich, dass sie hier so etwas überhaupt eines Blickes würdigen. Bei diesen doch so auf Komfort und Geräumigkeit bedachten Amerikanern hätte ich gedacht, dass ein solcher
Wagen zum Straßenbild gehört. Es mag daran liegen, dass diese Dinger hier sehr teuer verkauft werden. Ein bisschen Goldstaub sozusagen, den wir da hinter uns herziehen. Schade nur dass dieser
Goldstaub nach ungefähr einem Dienstjahr nun just heute mitten in Key West den Dienst versagte.
Wir hatten gerade unseren Rundgang durch das wunderschöne Aquarium beendet und waren noch ganz fasziniert von den Rochen, die uns aus der Hand gefressen hatten, und den riesigen überlebensgroßen
Schildkröten, deren trauriges Schicksal vor allem Matteo zu schaffen machte. Dieses Aquarium hat die Beschreibung "paradiesisch" wirklich verdient. Als nächstes wollten wir einen Spaziergang
durch die Straßen der Stadt machen. Aber daraus wurde nichts, denn die Zugstangenhalterung unseres Wagens war plötzlich aufgebogen und ohne Zange und Inbusschlüssel nicht wieder einzurenken.
Also gut, dann eben zurück mit dem Wagen ins Auto und ab zur "Conch Train", einem der üblichen motorisierten Touristenzüge, hier zudem als "The Worlds Famous" bezeichnet. Die Kinder freuten sich
schon die ganze Zeit aufs Eisenbahnfahren und wir würden so all die Dinge sehen können, die nach unserer Bollerwagenpanne nicht mehr zu Fuss zu erreichen waren.
Bob, der Fahrer, erzählte ununterbrochen. Warum die Dächer mit Zinn belegt sind, warum die meisten Häuser hier Hurrikans problemlos überstehen und was Calvin Klein mit Ernest Hemmingway gemeinsam
hat. Viele interessante Dinge habe ich schon wieder vergessen, aber eines blieb mir besonders in Erinnerung. Nämlich dass der Name "Key West" überhaupt nichts mit einer Himmelsrichtung zu tun hat
sondern die Verenglischung vom spanischen "Cayo Hueso" ist, was soviel bedeutet wie "Knochenriff". Die ersten spanischen Siedler erzählten sich, dass die indianischen Ureinwohner hier ihre Töten
begraben hätten. Nicht gerade paradiesisch.
Paradiesisch jedoch ist diese Stadt in der Tat, das wurde uns auf der Rundfahrt klar. Während Madita ihren Mittagsschlaf auf Mamas Schoß abhielt und Matteo den Fotografen gab, bewunderten wir die
schönen Häuser, die bunt blühenden alten Bäume und grünen Parks. Wir lauschten den interessanten Erzählungen des Fahrers über die stolze, bewegte Geschichte dieses Ortes und saugten das
karibische oder noch treffender kubanische Gefühl in uns auf, welches hier herrscht. Ein Ort, den wir genau so in Erinnerung behalten werden. Ebenso wie seine Menschen, mit einigen von ihnen
kamen wir heute ins Gespräch. Da war die Eisverkäuferin mit deutschen Vorfahren, der Touristenzugfahrer, der sich während eines kurzen Zwischenstopps über unser müdes kleines Maditchen amüsierte,
oder das nette argentinische Pärchen, mit dem ich während einer kurzen Rast auf der Rückfahrt an einer Tankstelle ins Gespräch kam.
Wir kamen uns hier nie fremd vor und fühlten uns von Anfang an wohl zwischen all diesen aufrichtig freundlichen, liebenswerten Menschen inmitten einer wirklich paradiesischen Stadt.
Am Ende des Tages gab es noch ein Bad im Meer am Strand von Key West und genau hier könnte unsere Erzählung vom Paradies zu Ende sein, wenn da nicht noch die Rückfahrt gewesen wäre.
Wir waren bereits einige Meilen gefahren und plötzlich ging nichts mehr. Stau soweit das Auge reichte. Wir stellten den Motor ab und erfuhren von anderen, die wieder umkehrten, dass es auf einer
der Brücken vor uns einen schweren Unfall mit drei brennenden Autos gegeben hatte. Drei bis fünf Stunden sollte es dauern, bis die Brücke wieder frei wäre. Es war bereits abends halb acht. Man
muss dazu sagen, dass es auf den Keys keine Ausweichroute gibt, weil es eben nur die eine Straße von Nord nach Süd gibt. Wir drehten um und fuhren zu einer nahe gelegenen Tankstelle, um uns für
die Nacht zu versorgen. Unsere beiden Rabauken veranstalteten dort einen solchen Krawall, dass ich sie am Schlafittchen gepackt aus dem Laden herausschleifen musste, damit sie endlich wussten,
dass eine Grenze überschritten war. Mann, war ich sauer!
Glücklicherweise kam zu diesem Zeitpunkt auch gerade die Durchsage, dass die Straße wieder frei war. So langsam kam der Verkehr wieder ins Rollen und wir konnten dann doch noch nach Hause, ohne
die halbe Nacht im Auto verbringen zu müssen.
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Steffen Zillmann (Donnerstag, 15 Juni 2017 15:19)
Lieber Thomas,
heute muss ich dir mal einfach danke sagen. Jeden Tag sind wir gespannt auf deinen Reisebericht. Es ist sehr schön, irgendwie doch bei euren Erlebnissen dabei zu sein. Wie ein bischen Urlaub auch für uns.
Vielleicht solltes du später mal ein Buch schreiben. Das Gene vom Schreiben hast du auf jeden Fall von Mom geerbt.
Auf jeden Fall macht es großen Spass die Bericht von dir zu lesen und man ist auch ein wenig beruhigt.
Es motiviert mich auch bald mal wieder eine Fernreise mit Mom zu unternehmen, spätestens wenn ich sechzig werde. Nun das ist ja nicht mehr allzu lange. Vielleicht hilfst du mir ja dann bei der Planung.
Nun noch weitere schöne Tage für euch auf eurer nächsten Station. Vielleicht hören wir uns ja mal am Samstag.
Viele liebe Grüße von
Mom und Dad und an die Kleinen von Oma und Opa