· 

Meeresschildkröten

Es ist finstere Nacht. Der Mond versteckt sich hinter diesigen Wolken und lässt nur wenig Licht auf den langgezogenen wilden Strand und die Brandung dahinter fallen. In einer Gruppe von zehn Leuten warten wir gemeinsam auf den einen großen Moment. 

Es ist Schildkrötenzeit am Tortuguero Beach. Von Juli bis August legen die Grünen Meeresschildkröten hier ihre Eier ab. Ab September schlüpfen dann ihre Jungen. Der Nationalpark Tortuguero bietet die Möglichkeit, Schildkröten beim Nestbau und der Ablage der Eier zu beobachten. Unter den strengen Augen von Rangern dürfen nur zertifizierte Guides Touristen zu den Legeplätzen führen. Die Benutzung von Taschenlampen, Kameras und Smartphones ist verboten, einzig der Guide hat eine Rotlicht-Taschenlampe dabei, deren Licht die Tiere nicht sehen können. Da sie ihre Umgebung hauptsächlich mit ihren guten Augen wahrnehmen, ist das die einzige Möglichkeit, sie zu beobachten. 

Wir stehen still am Strand und hören die tosende Brandung des Atlantik. Gerade hat ein Ranger eine Schildkröte in der Nähe entdeckt, die ihr Nest vorbereitet. Das scheint jedoch noch zu dauern. In der anderen Richtung ist ein Tier schon dabei Eier zu legen. Unsere Führerin Anja führt uns nun dorthin. Zwei andere Gruppen warten bereits vor uns. 

Ein paar Stunden zuvor haben wir das Sea Turtle Conservancy besucht. Es liegt am Strand von Tortuguero in der Nähe der Mawamba Lodge. Die Wissenschaftler und viele Freiwillige kümmern sich um die Erfassung der Nester, das Vermessen und Markieren der Weibchen und den Schutz der Tiere. Wir haben erfahren, wie wichtig diese Arbeit ist. Matteo hat heute sogar eine Schildkröte adoptiert, sie darf von nun an den Namen Dreamy tragen. Sollte sie irgendwann wieder hier beobachtet werden, wird uns das Conservancy darüber informieren. 

Endlich ist es so weit, unsere Gruppe darf nun zu dem Weibchen, welches unter einem niedrigen Baum gerade Eier in ihr Nest legt. Am Ende werden es ungefähr einhundert sein, weswegen das ungefähr eine Viertelstunde dauert. Im roten Schein der Taschenlampe purzelt ein golfballgroßes Ei nach dem anderen in die Grube. Als sie damit fertig ist, beginnt sie, ihr Nest mit Sand wieder zu verschließen. Das hier wird nicht ihr letztes Nest in dieser Saison sein. Bis zu acht Mal kommen die Schildkrötenweibchen pro Saison an Land, um am 22 Kilometer langen Strand von Tortuguero Eier abzulegen. Von den während einer Saison abgelegten bis zu 1000 Eiern schafft es im Durchschnitt nur eine Schildkröte, erwachsen zu werden. 

Wir verlassen das tapfere Tier, damit es in Ruhe seine Grube bedecken und in der Nähe eine Tarngrube anlegen kann, welche zur Ablenkung für Feinde dient. Das ist auch der Grund, warum hier die Nester nicht markiert werden. Der Nachwuchs ist sicherer, wenn niemand genau weiß, wo das echte Nest ist, vor allem die Menschen nicht. Nach wie vor werden illegal Eier als Delikatesse gehandelt. 

Einige Meter in der anderen Richtung scheint die erste Schildkröte schon fertig zu sein. Anja erklärt uns, dass sie gar nicht erst angefangen hat, Eier zu legen. Der Nistplatz war wahrscheinlich nicht geeignet. Das riesige Tier kämpft sich wieder den langen Weg zurück ins Meer, um dort auszuruhen und es in zwei oder drei Stunden erneut zu versuchen. Ehrfürchtig folgen wir ihr ganz leise, bis der Panzer ganz in den Wellen versunken ist. 

Gerade kommt der Mond hervor und wirft sein fahles Licht auf eine weitere Grüne Meeresschildkröte, die sich gerade aus dem Ozean die Uferböschung hinauf kämpft. Wir werden sie in Ruhe lassen. Die Ranger suchen immer nur wenige Exemplare pro Nacht aus, die dann von den Besuchergruppen beobachtet werden dürfen. Damit wird der Stress für die meisten anderen gering gehalten. 

Ganz still und tief beeindruckt folgen wir im Gänsemarsch unserer Führerin zurück zu unserem Boot. Für uns war dieser Abend eines der schönsten Urlaubserlebnisse, die wir je haben durften.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0